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Lebensbedrohliche Extremitätenblutungen

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Lebensbedrohliche Extremitätenblutungen
Versorgung starker Extremitätenblutungen mittels Tourniquet

Extremitätenverletzungen können isoliert oder in Kombination mit anderen Verletzungen zu lebensbedrohlichen Blutverlusten führen. Hierzu kommt es entweder durch isolierte Gefäßverletzung (z.B. Messerstich oder Schussverletzungen) oder durch große Weichteilverletzungen (z.B. Teil- oder Komplettamputation nach stumpfer Gewalt) im Rahmen von Unfällen zu starken Blutungen. Lebensbedrohliche Blutungen müssen sofort nach der Feststellung in der Notfallversorgung gestoppt werden. Grundsätzlich erfolgt dies durch manuelle Kompression, Hochlagerung der Extremität und Anlage eines Druckverbandes.

Führt die Anlage des Druckverbandes zu keiner ausreichenden Blutungskontrolle, so erfolgt die Anlage eines Tourniquets in deutlichen Abstand (mindestens eine Handbreit) zur Verletzung. Die Anlage ist also möglich am proximalen Unterarm oder proximalen oder mittleren Oberarm und am mittleren Unterschenkel (CAVE: Fibulaköpfchen, N. peroneus) oder am Oberschenkel [5] . Die Tourniquetanlage ist eine Maßnahme, die bereits durch den Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter durchgeführt werden kann. Die Anlage des Tourniquets ist schmerzhaft bzw. wird innerhalb kurzer Zeit nach Anlage eine Analgesie erfordern (Ischämieschmerz). Deshalb ist spätestens nach Anlage des Touniquet die Anwesenheit eines Notarztes erforderlich.


In seltenen Fällen ist die primäre Anlage eines Tourniquets erforderlich. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Anlage eines Verbandes primär nicht möglich ist, z.B. bei Einklemmung des Patienten oder bei Amputationsverletzung mit Blutung.

Die Uhrzeit der Tourniquetanlage wird im Protokoll notiert. Wichtig ist, dass es durch die Tourniquetanlage nicht zu einer venösen Stauung in der verletzen Extremität kommt. Dies ist dann der Fall, wenn der Druck durch das Tourniquet niedriger ist als der arterielle Druck in der Extremität. Hier ist zu beachten, dass sich der arterielle Blutdruck im Laufe des Einsatzes ändert und immer sichergestellt sein muss, dass der Verschlussdruck höher als der arterielle Druck ist. Für eine erfolgreiche Blutstillung ist ein Gewebedruck erforderlich, der etwa 70-100 mmHg höher als der systolische Blutdruck ist. Hieraus folgt, dass die abgebundene Extremität während des Einsatzes genau beobachtet werden muss.

Durch die Tourniquetanlage sind viele Komplikationen möglich. Dies betrifft Schmerzen, Hautverletzungen, Nervenschäden, Muskelschäden, Kompartmentsyndrome, Thrombembolien und viele mehr. Die Indikation ist daher streng zu stellen.

Patienten, die mit einem Tourniquet versorgt werden müssen, werden mit der Sichtungskategorie 1 (SK 1) versehen und einer Schockraumbehandlung zugeführt.

Übersicht

Lebensbedrohliche Extremitätenblutungen
Versorgung starker Extremitätenblutungen mittels Tourniquet

Typ
Algorithmen
Kategorie
Chirurgisch
Notarzt
obligat
Version (EVM)
Jan 2023
Zuletzt Geändert
27.02.2023
Quelle
Versorgungsstandards (SOP) im RDB Kassel; 2022; ÄLRD T. Müller

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